Warum wir ein Projekt aus dem Jahr 2016 weiterhin fördern

Die LBV-Stiftung Bayerisches Naturerbe kofinanziert ein Projekt für den Stieglitz. Das Magazin VOGELSCHUTZ fragte Projektleiterin Christiane Geidel in der Ausgabe 4/2017, warum sie auch zwei Jahre später noch am Vogel des Jahres 2016 arbeitet und warum sie dabei besonders auf Gartenbesitzer und Gemeinden hofft.

VOGELSCHUTZ: Frau Geidel, inzwischen liegt das Waldkauz-Jahr schon fast hinter uns, der Star ist gerade als neuer Jahresvogel verkündet worden. Warum arbeiten Sie mit Unterstützung der LBV-Stiftung Bayerisches Naturerbe immer noch am Stieglitz, der doch Vogel des Jahres 2016 war?
Christiane Geidel: Nun ja, im Naturschutz braucht man oft einen langen Atem, und das ist hier so ein Fall. Der Stieglitz liebt bunte Ackerränder, samenreiche Wegraine, naturnahe Gärten: Solche Landschaften erschaffen wir aber nicht über Nacht.
VS: Ganz kurz zur Biologie: Warum muss es eine solche Landschaft sein?


Geidel: Hier findet er die Samen, von denen er sich ernährt. Stieglitze leben darum übrigens immer mehr bei uns in den Siedlungen – Hauptsache, es gibt einen Brutplatz und genug zu fressen. In vielen Parks und Gärten findet er das. Knapp 60 % aller Stieglitze leben darum in Ortschaften, nur noch 40 % in der Agrarlandschaft.
VS: In einem Pilotprojekt haben Sie darum besonders mit Gemeinden zusammengearbeitet. Wie kam es dazu?
Geidel: Wir hatten ja mit dem NABU zusammen die Aktion „Bunte Meter für Deutschland“. Dabei haben Privatpersonen, Vereine und LBV-Gruppen neue Wildblumenwiesen, Grün- flächen oder Beete angelegt. Das war sehr erfolgreich. Wir haben uns dann gedacht, dass man das doch auch lokal mal ausprobieren könnte. Also sind wir im Landkreis Roth losge- zogen und haben Gärtnereien und Bauhöfe angesprochen.
VS: Was sollen Gemeinden tun? Die Straßenränder zuwachsen lassen?


Geidel: Nein, aber Gemeinden können viel für den Stieglitz erreichen, weil er eben überwiegend in Ortschaften lebt. Übri- gens sind wir auf offene Ohren gestoßen, denn alle Maßnahmen für den Stieglitz haben ja den Nebeneffekt, dass eine Ort- schaft selbst wieder bunter, attraktiver und lebenswerter wird.
VS: Wie sieht das konkret aus?


Geidel: An Straßenrändern, in Verkehrskreiseln oder kleinen ungenutzten Brachflächen hier und da können die Bauhöfe Blühmischungen aussäen und damit für samentragende Pflanzen sorgen. Außerdem können sie auf Düngung, Mahd und Spritzmittel auf öffentlichen Grünflächen verzichten.
VS: Das klingt nach den üblichen Maßnahmen, die eigentlich jeder Gartenbesitzer und Bauhofleiter kennen sollte. Konnten Sie denn überhaupt einen Effekt feststellen?


Geidel: Es ging uns besonders um die Nahrungspflanzen, und die kennen viele Leute nicht, was ja auch nachvollziehbar ist. So sind dann in privaten Gärten und auf öffentlichen Grün- flächen wirklich viele neue Nahrungsflächen für den Stieglitz entstanden. Das Projekt war eigentlich zu erfolgreich.
VS: Was soll das heißen „zu erfolgreich“? Sie freuen sich doch sicher darüber? Das müssen Sie bitte erläutern.
Geidel (lacht): Natürlich freuen wir uns! Nur zählt jetzt, dass die Ergebnisse mit Projektende nicht in der sprichwörtlichen Schublade verschwinden dürfen. Darum sind wir dabei, zusammen mit der LBV-Stiftung ein Folgeprojekt zu starten.
VS: Aus welchen Mitteln wird das finanziert?


Geidel: Es läuft ein Antrag bei einem Geldgeber. Wir haben jedoch bereits die feste Zusage der LBV-Stiftung, dass sie den Eigenanteil übernimmt. Das ist wichtig, weil sonst die restliche Förderung nicht abgerufen werden könnte. Durch die LBV-Stiftung haben wir die Sicherheit, dass wir gleich bei Zusage des anderen Geldgebers loslegen können.
VS: Langer Atem also auch beim lieben Geld?


Geidel: Genau, für solche Projekte findet man oft keine Geldgeber. Der Stieglitz ist ja jetzt nicht mehr Vogel des Jahres, und das ist dann für viele zu unspektakulär. Die LBV-Stiftung denkt da anders, nachhaltiger, und unterstützt solche Ansätze trotzdem.